Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
- Grundsätzliches
Die Frage nach der Umsetzung von DGE Standards und die Erhöhung von Bioanteilen in der Schulverpflegung ergibt sich allein aus der Tatsache, dass der Landkreis Waldeck-Frankenberg Ökomodellregion ist.
Ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen dieser Frage über die Grundbedingungen der Ernährungsphysiologie nähern. Als langjähriges Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) will ich ebenfalls eingangs die seit mehr als 40 Jahre bestehende Kontinuität in der Argumentation der DGE betonen und auch loben. Dieser Grundsatz ist wie folgt zusammen zu fassen: Lebensmittel sollten vor ihrer Zubereitung in der Küche möglichst naturbelassen sein und möglichst nicht durch technologische Zusätze in ihrer ernährungsindustriellen Fertigung modifiziert worden sein. Erst in jüngerer Zeit betont die DGE ihre Präferenz für Bioprodukte.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher gilt deshalb der Grundsatz, bei Lebensmitteln, die nicht aus der Region und aus der Biolandwirtschaft kommen, besonders dem Kleingedruckten in der Produktbeschreibung eine besondere Beachtung zu schenken. Dort finden sich die gelisteten Zusatzstoffe, die grundsätzlich umso kritischer zu bewerten sind, je länger die Liste ist. Für viele industriell modifizierte Lebensmittel gilt die grundsätzliche Kritik: zu fett, zu salzig, zu süß. Vorhandene hochwertige Proteine pflanzlichen und tierischen Ursprungs werden in ihrer lebensmitteltechnologischen Modifikation mit Mineralölen (wie Palmkernöl) und Industriezuckern vermischt und so abgestumpft. In nennenswertem Umfang wird auch zur Haltbarmachung Kochsalz zugefügt. Zucker und Fette werden so gegenüber naturbelassenen Lebensmitteln angereichert, zumal gerade Fett als Geschmacksverstärker gilt. In gleicher Weise wirken zudem synthetische, i. d. R sogenannte naturidentische, Aromen. Und die Beziehung von Phosphaten in Lebensmitteln und ADS ist hinlänglich bekannt. (ADS = Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom)
Natürlich stellt sich auch die Frage nach den
- Allergiepotenzialen
Wie und in welcher Weise sich über technologisch modifizierte Lebensmittel Allergien aufbauen und verstärken habe ich wissenschaftlich leider nicht bearbeitet. Ich will hierzu eine anscheinend banal klingende Bemerkung loswerden: mein älterer Bruder und ich wurden als Bauernsöhne in unserer Jugend vornehmlich mit Produkten aus dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb versorgt. Zum Betrieb gehörte auch selbstredend ein großer Garten, der für die Familie in der Vegetationszeit die Basis der Lebensmittelversorgung darstellte. Von Allergien wurden wir beide bis heute nicht geplagt. Bei unseren Kindern – also nachfolgende Generation – trug diese Ernährungsgrundlage nicht mehr, so dass in unsere beiden Haushalte überwiegend Nahrungsmittel aus Verbraucher- und Supermärkten Einzug hielten. Damit verbindet sich für mich die logische Verknüpfung, dass tatsächlich bei unseren Kindern in allen Fällen Allergien manifest geworden sind. Dass hier Menschen mit einer
- vegetarischen Nahrungsgrundlage gegenüber Mischkost
im Vorteil sind will ich hieraus jedoch nicht zwingend ableiten. In der langjährigen Statistik steht fest, dass die Deutschen pro Jahr rd. 60 kg Fleisch verzehren. Unabhängig davon, dass biologisch der Fleischverzehr zur Genese des Homo sapiens gehört, würde auch die Hälfte des Fleischkonsums ausreichen, um unsere Versorgung mit Aminosäuren und mit B-Vitaminen sicherzustellen. Was mir aber aktuell Sorgen bereitet ist die Tatsache, dass bei einer veganen Ernährung Fleischaustauschprodukte (byhond meat Vegiburger) in den Warenkorb gelangen, die dem Fleisch ähnlich sind und tatsächlich auch so schmecken. In einer Reihe von industriell so hergestellten veganen Produkten finden neben Mineralölen die weiteren bekannten synthetischen Produkte Eingang. Auch hier gilt es die Warendeklaration genau zu beachten. Was heißt das für die
- Schulverpflegung
Nahrungsmittel für Kindergarten- und für Schulkinder sollen und müssen besonders hochwertig sein. Sie dürfen sich nicht mit den genannten lebensmitteltechnologischen Standards herumschlagen müssen. Sie müssen vielmehr so gut sein und auch schmecken, dass unsere Kinder nicht auf Abwege geraten, sich vorzüglich mit Fast Food Produkten ernähren zu wollen. So las ich kürzlich in einem Artikel des Focus Magazins, der sich mit Wirkungsbeziehungen von Fast Food und Diabetes Typ 2 sowie Fast Food und abnehmende Gehirnleistungen (Endstufe Demenz) befasste. Einer solchen doch bedrückenden Entwicklung sollte den jungen Menschen über eine gesunde Schulverpflegung eine nachhaltige Handlungsalternative aufgezeigt werden. Immer wieder höre ich jedoch das Argument – ich würde mich ja gerne gesund ernähren, aber das ist
- Zu teuer
für mich. Eine Mitarbeiterin aus meinem Team im Landeslabor mit Kindern im KIGA – Alter wohnhaft im SEK Kreis sagte mir, dass die Kostenfrage auch in ihrem Kindergarten kontrovers angesprochen wurde. Sie nannte mir eine Preisschwelle von 4,15 € für Mittagsverpflegung, wo die Eltern auf die Barrikaden gegangen sind. In einem Bereich von +/- 3,50 € sei dagegen noch Akzeptanz gewesen. Neben der Frage nach Regional- und Biokost im Vergleich zu Supermarktwaren stellt sich damit auch die Frage nach
- Bezahlbarkeit und Akzeptanz
Allerdings wird dabei oft vergessen, dass Produkte aus der Region nicht über lange Wegstrecken gefahren und auch nicht mehrfach umgeschlagen werden müssen. Diese Tatsache ist einerseits klimafreundlich und spart andererseits Transport- und Umschlagskosten. Unter der Voraussetzung, dass regionale und Bioproduzenten keine überzogenen Renditeerwartungen haben ist es rechnerisch darstellbar, dass sich die Preise von Supermarkt- und Regionalprodukten einander annähern, so dass die oben für Eltern genannte monetäre Akzeptanzschwelle erreicht werden kann. Grund: es fallen eben für Regionalprodukte Kostenfaktoren weg. Dann brauchen hochwertige Produkte auch keine
- Ausschreibungen
zu fürchten, zumal in die Ausschreibungen als Ausschreibungsgegenstand auch entsprechende Qualitätsziele reinformuliert werden können und so naturnah produzierten Lebensmitteln ein strategischer Vorteil eingeräumt werden kann. So ist es für unsere Ökomodellregion auch folgerichtig, Bioprodukten in den Ausschreibungen tatsächlich einen strategischen Vorteil einzuräumen