Redebeitrag von Dr. Harald Schaaf bei der „StreitBar“ Europa-Union am 15.05.2019 Kreishaus Korbach

Dr. Harald Schaaf
Dr. Harald Schaaf

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Kürzlich habe ich im landwirtschaftlichen Wochenblatt in Hessen die folgenden Sätze zum Standpunkt meiner Partei – der deutschen Sozialdemokratie – zur Europawahl und zu Europa selbst gelesen. Bevor ich zitiere möchte ich einmal daran erinnern, dass die SPD bereits in ihrem Heidelberger Programm 1925 die vereinigten Staaten von Europa gefordert hat.

Nun zurück zur Fundstelle im Hessenbauer. Dort wird die SPD wie folgt zitiert: „Das Zusammenwachsen der Völker Europas setzt eine schrittweise Angleichung der Lebensbedingungen voraus – in Deutschland ebenso wie in Finnland oder in Griechenland, in Portugal wie in Polen.“  Soweit das Zitat.

Ich will an dieser Stelle auf das Leader-Programm der EU hinweisen, dass unter der Voraussetzung sachgerechter Antragstellung mit den darüber ausgeschütteten Fördermitteln für die Angleichung strukturschwacher und benachteiligter Regionen an den europäischen Standard beiträgt.

Im Mastricht-Vertrag wird ganz im Sinne des neoliberalen Zeitgeistes zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für Europa das Postulat des freien Güter- und Warenverkehrs zur Grundbedingung erklärt.

Was bedeutet das alles für die Landwirtschaft in Europa? Das bedeutet sicherlich nicht, dass sich die europäischen Landwirtinnen und Landwirte in ihre Rolle eines ergebenen Rohstofflieferanten für billige Lebensmittel für Discounter – in erster Linie Fleisch und Fleischprodukte – reduzieren lassen sollten, zumal ihr Anteil an der Wertschöpfungskette dabei minimal ist.

Das bedeutet aber auch nicht, dass z. B. von Geflügelprodukten die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher edle Teile wie Brustfleisch und Bollen erhalten, die restlichen Teile jedoch auf dem Afrikanischen Kontinent verramscht werden, was die Landwirtschaft dort in jedem Fall ruiniert. Ich will damit ausdrücken, dass ich afrikanische Länder schon verstehe, wenn sie dann ihre heimischen Märkte zum Schutz ihrer heimischen Landwirtschaft dann abschotten.

Das alles bedeutet für die SPD, dass wir uns im Sinne einer neuen Balance zwischen den wirtschaftlichen Freiheiten auch für soziale Rechte und eine nachhaltige Produktion im ländlichen Raum einsetzen.

Ganz im Geist eines Europas der Regionen müssen für unsere Landwirtinnen und Landwirte regionale Wirtschafts- und Vermarktungsketten eingekürzt werden, damit auch regionale Besonderheiten im Sinne der Kulturerhaltung und im Sinne der Wirtschaftskraft der Regionen erhalten bleiben. Im Ergebnis wird der geldwerte Anteil der landwirtschaftlichen Produktion an der Wertschöpfungskette dann sicherlich erhöht.

Nur dann werden unsere Landwirtinnen und Landwirte in einem höheren Maße und mit Überzeugung bereit sein, europäische Umweltauflagen auch tatsächlich umzusetzen.

Einige Beispiele hierzu: Ich verweise auf einen Artikel in der FAZ vom 09.05.19. Schlagzeile: Einsatz für regionales Fleisch. In der Kooperation „Hessenfleisch“ wird versucht, heimische Erzeuger zu stärken. Dazu gehört, dass regionale Fleischbetriebe auch ortsnah schlachten und ebenso ortsnah ihre Produkte vermarkten. Dazu gehört auch die Upländer Bauernmolkerei, die ortsnah Biomilch zu einem fairen Preis aufnimmt und entsprechend ortsnah vermarktet. Dazu gehören auch Milcherzeuger, die ihre Erzeugnisse selbst abpacken und aus ihrem eigenen Betrieb sowie über eigentümerbezogene Verbrauchermärkte vermarkten. So weit zu unserer Region in Waldeck-Frankenberg.

Dazu gehören – wie ich im letzten Jahr auf den kanarischen Inseln erleben durfte – regionale Produkte der kanarischen Inseln, die in Restaurants mit Regionalbezug angeboten wurden. Die Gaststätte, die ich seinerzeit mit meiner Frau besuchte, war regelrecht überlaufen.

Ich werde im Juli wieder einmal einer Initiative der Freienhagener Landjugend folgen und – wie alle zwei Jahre – eine kleine französische Stadt mit Namen Cande im Anjou besuchen. Ich werde dort die lokalen Wochenmärkte besuchen und dort beim Erzeuger den tollen Käse und den Roséwein – als Herzstück das Weinproduktion im Anjou – kaufen und genießen. Ich werde wiederum mit einer großen Genugtuung zur Kenntnis nehmen, dass die französischen Verbraucherinnen und Verbraucher ohne Murren bereit sind, höhere Preise für Lebensmittel zu zahlen und sich nicht mit Produkten aus Billigdiscountern abspeisen lassen. Jedenfalls ist diese Bereitschaft in Frankreich größer ausgeprägt als bei uns in Deutschland.

Dies alles beweist wie vielfältig Europa und seine Regionen aufgestellt sind und wie schlicht die Argumente der Rechten in ihrer Betonung des Nationalstaates ausfallen. Und der Frage der Friedenssicherung in Europa haben wir uns noch gar nicht zugewandt. Wie werden wir aus Freienhagen wieder in Cande gemeinsam mit unseren französischen Freunden uns zurufen: es lebe Cande, es lebe Freienhagen, es lebe die deutsch-französische Freunde (heißt das Herzstück Europas). Denn Menschen, die Freundschaft geschlossen haben, werden nicht aufeinander schießen.