Sehr geehrter Herr Schaake,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Antrag der grünen Kreistagsfraktion zur geplanten Hähnchenmastanlage in Waldeck kommt nach einer langen Zeit des Schweigens gerade jetzt. Ist es der gerade verflossene Wahlkampf oder die kürzlich gezeigte Sendung im hr?
Fakt ist: meine SPD-Fraktion im Waldecker Stadtparlament hat – wie auch mehrheitlich die anderen Fraktionen – kein Einvernehmen mit den Planungsunterlagen festgestellt, weil der Investor die von ihm mündlich zugesagten Fordungen an den Ortsbeirat Waldeck zu den Fragen Biofilter, Wasserversorgung und Zuwegung nicht entsprochen hat. Letztlich hat auch der RP Kassel in seinem Genehmigungsverfahren auf diese Forderungen verzichtet. Immerhin scheint hinsichtlich der Zuwegung bzgl. der Realisierung des Vorhabens Sand in das Getriebe gekommen zu sein.
Auf der Veranstaltung des HR in Waldeck wurde intensiv über die gesundheitlichen Risiken der Produktion und der Vermarktung der in einem Umlauf (Umtrieb) anfallenden 80.000 Hähnchen diskutiert. Unstrittig ist, dass die Geflügelproduktion unabhängig von der Frage Ökobetrieb (dann 50.000 Hähnchen je Umtrieb) oder wie geplant 80.000 zu einem gesundheitlichen Risiko beiträgt. Ich will an dieser Stelle kurz über Forschungsergebnisse meines Freundes Dr. Werner Philipp vom Institut für tierärztliche Umwelthygiene der Universität Hohenheim berichten, der wiederholt in dieser Produktionsweise bei etwa einem Drittel der Tiere Antikörper gegen Salmonellen gefunden hat, will sagen diese Tieren hatte Kontakt mit Salmonellen.
Der Eintritt einer Erkrankung im Bestand ist fast immer mit feuchten und warmen Haltungsbedingungen verbunden. In den Mastanlagen muss daher auf eine trockene Haltung und ein moderates Stallklima Wert gelegt werden. Diese Bedingungen ich habe denn auch im Frühjahr 2018 bei der Besichtigung einer existierenden Anlage angetroffen.
Ein weiteres Thema der HR-Veranstaltung rankte um Fragen der Antibiotika. Gott sei Dank ist der Einsatz von Antibiotika in Deutschland als Masthilfsmittel verboten. Ob sich alle Länder in der EU daran halten ist fraglich. Der Einsatz in Deutschland erfolgt ausschließlich nach tierärztlicher Indikation. Leider ist es im Befallsfall so, dass dann der gesamte Bestand behandelt wird. Wenn von 80.000 Tieren 1.000 Tiere erkrankt sind, ist es illusorisch, diese erkrankten Tiere herauszufangen und separat zu behandeln. Schließlich wüssten wir dann nicht, wie viel Tiere derzeit visuell noch gesund, jedoch bereits angesteckt sind. Dass der Befallsdruck bei großen Beständen und enger Haltung größer ist, versteht sich schon aus Gründen der Logik.
Unabhängig wie man zu einer industriellen Tierhaltung steht, bleibt festzuhalten, dass sich nur etwas an der Situation ändern wird, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Ladentheke trotz preislicher Konsequenzen entscheiden. So ist eine Kritik an den Mastanlagen und ein gleichzeitiger Kauf dieses Billigfleisches beim Discounter ein absolutes no go. Eine Chance auf eine Änderung besteht, wenn Konsumenten aus grundsätzlicher Erwägung Hähnchen mit einem Preis von 3 bis 4 Euro liegen lassen und bereit sind, bei umwelt- und tiergerechten Haltungsbedingungen deutlich mehr zu bezahlen.
Warum ist die Situation verfahren? Ein Rechenbeispiel:
Wenn nämlich pro Charge 80.000 Hähnchen (Mastperiode 42 Tage) mal 7,2 Umtriebe multipliziert werden, werden in der geplanten Anlage genau 576.000 Tiere pro Jahr produziert. Wenn der Mäster pro Tier 5 Cent erhält, dann erwächst daraus rechnerisch ein Gewinn von 28.800 Euro. Unter Berücksichtigung schwankender Marktbedingungen sagen wir < 40.000 Euro. Und was vielen nicht klar ist, der Hähnchenmastbetrieb ist dem Schlachtbetrieb, der Vertrieb und Vermarktung organisiert, auf Mann und Maus ausgeliefert. Dabei gilt auch noch festzustellen, dass es sich bei der Hähnchenmast um eine der wenigen Wachstumsbranchen handelt – allerdings zu minimalen Renditen für den Mäster.
Davon können Schweinehalter im Moment nur träumen. Gerade (siehe Wochenblatt) liegt der Verkaufspreis für Ferkel bei nur 35 Euro gegenüber normal 55 Euro. Daraus folgt, dass die Viehhaltung in Hessen (mit 0,7 RGV/ha ohnehin niedrig) weiter zurückgehen wird und sich die Mastgroßbetriebe in Schleswig-Holstein und in Weser-Ems die Hände reiben. Und darüber hinaus quasi als Treppenwitz werden von eben diesen Großmästern, die allzu oft ohne qualifizierte Flächenbindung produzieren, die Flächen in Waldeck-Franken-berg mit Misten und Güllen aus diesen Überschussgebieten heimgesucht. Dies kann wiederum beim RP Kassel derzeit aufgrund der knappen Personalausstattung nicht ausreichend kontrolliert und fachlich begleitet werden.
Vor diesem Hintergrund wird uns um die Zukunft unserer heimischen Landwirtschaft bange, so dass hier ein erheblicher Diskussions- und Handlungsbedarf besteht. Insofern hat der Antrag seinen Zweck erfüllt. Wir schlagen deshalb die Überweisung an den zuständigen Ausschuss vor, der sich umgehend intensiv mit diesen Fragen befassen muss.